Wie bunt ist Deine Welt?

Heute nehme ich Dich in mein Experiment mit, bei dem ich ganz bewusst meine Aktivitäten voller Achtsamkeit ausgeführt habe, wobei ein ungemein bunter Wahrnehmungsstrauss entstanden:

Der Boden kühl, das Abrollen des Fußes von der Ferse Richtung Fußballen, der Hausschuh fühlt sich weich an.

Die Zahnbürste im Mund, war die Zahncreme immer so scharf?? Auf dem Balkon rankt meine selbst gezogene Rose und ui, sie hat ja zwei Knospen, die ganz heimlich, ohne dass ich sie bemerkt hätte gesprießt sind.

Langsam zerfließt der Ghee im warmem Topf auf dem Herd und verändert sich farblich von hellgelb zu durchsichtig, bis der Pfannenboden wieder ganz sichtbar ist. Dann bewege ich den Reis hin und her unter zuerst lauten Zischgeräuschen. Je mehr er auf dem Boden bewegt wird, desto weniger Geräusche gibt er von sich und desto dominanter wird der herrliche Duft. Wenn er richtig aufgewärmt ist, fülle ich ihn in den Thermosbehälter. Quietscht der Deckel immer so beim zudrehen?

Die Aprikose ist fluffig weich und braucht fast keinen Druckaufwand um sie in mundgerechte Stücke fürs Frühstück zu zerkleinern. Die Häppchen zerfließen förmlich auf dem Schneidebrett und der orange, leicht durchsichtige Saft läuft auf die Tischplatte. Der Porridge ist nun warm und cremig, die Kirschen fühlen sich wie siedend heiße, kleine Kugeln auf der Zunge an, die nach leichtem zerkauen wie im Mund explodieren. Fast verbrühe ich mir die Zunge.

Die Ledersohlen klappern auf dem Asphalt, mal heller mal dunkler. Beim Passieren einer kleinen Unterführung nimmt die Tiefe und das Volumen des Klangs markant zu. Der feste Auftritt schickt leise Schläge bis ins Gehirn, die durch eine tiefe Atmung wieder etwas verschwinden.

Mürrische, tiefe Stirnfalten, bunte, schwarze, weiße, kurze Kleidung, hektische Fahrradfahrer, rasselnde Strassenbahnen, vereinzelt minimal lächelnde Gesichter kreuze ich auf meinem Arbeitsweg.

In mir drin hat sich ein riesengroßes Strahlen ausgebreitet, habe ich doch durch diesen Versuch einen ganz neuen Blick auf alle Dinge um mich herum werfen und dadurch einen Eindruckschatz erleben können. Ich habe die Neugier eines Kindes in mein Leben eingeladen als ob ich jedes Geräusch des Windes, das Gefühl eines erwärmenden Sonnenstrahls auf der Haut zu spüren, der Geschmack meines Porridges, das klappern der Tastatur wenn ich jetzt diesen Text schreibe zum ersten Mal gehört, welch bunte farbige und ruhige Welt, denn ich bin nur im jetzt und nehme diesen Augenblick mit vollen Sinnen wahr und bin nicht schon bei der nächsten Tätigkeit. Mein Gehirn hat sich beruhigt, meine Sehnsucht nach Urlaub in Italien hat sich im Augenblick verflüchtigt und ich bin so begeistert, dass ich diese Experiment immer weiter führen möchte um die ganz Buntheit meiner Umgebung wahrnehmen zu können.

Alles Liebe, Ursula